Neukirchen und eine total verrückte Familie
Neukirchen hat bereits dreimal den Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ auf Kreisebene gewonnen. Ein starkes Stück. Was aber ist denn so besonders in dem winzigen 176-Einwohner Ort der Gemeinde Malente?
Der Preis wurde 1969, 1979 und 1991 verliehen. Gleich am Orteingang steht eine Gedenktafel mit den beinahe historischen Auszeichnungen. Und obwohl das alles schon verdammt lang´ her ist, profitieren Anwohner und Besucher immer noch von den Arbeiten, die die Mitglieder des „Verschönerungsverein Neukirchen“ einst umsetzten. Der Dorfplatz wurde seinerzeit aufgehübscht und ein wild-idyllische Wanderweg um den Neukirchner See angelegt.
Bei einem Spaziergang links und rechts der Landstraße, die den Ort leider in zwei Hälften teilt, entdeckt man interessante Bauten wie etwa das alte Feuerwehrhäuschen. Mitten im Dorf auf einer Anhöhe steht die Kirche St. Johannis, erbaut mit Feldsteinen im 12. Jahrhundert.
Eine total verrückte Familie
Völlig im hier und jetzt leben Hannelore und Jochen. Das Paar ist vor rund 40 Jahren nach Neukirchen gezogen und gestaltet das eigene Leben frei und unkonventionell und sorgt nebenbei für Spannung im Dorf.
Beinahe jeden Traum haben sich die beiden erfüllt: eine intakte Großfamilie mit 5 Kindern, 5 Schwiegerkindern und 7 Enkeln. Landleben mit Pferden, Blumenwiesen und jede Menge Platz für alles, was das Herz begehrt.
Für Trecker etwa. Jochen sammelt sie und besitzt circa fünf. Auch Werkzeug hat er angehäuft, kann man schließlich immer gebrauchen. Jeder Baumarkt würde vor Neid erblassen. Hannelore hingegen sammelt irgendwie alles, Tonkrüge zum Beispiel. Damit dekoriert sie die Außenfassaden ihres Anwesens, welches Jochen im Laufe der Jahrzehnte stets nach ihren Bedürfnissen erweiterte. Um Anbauten, Garagen, Hütten und eine riesige Holzscheune. Darin lässt sein Schatz es krachen. Auf 200 qm feiert Hannelore, wie es ihr gefällt: Motto Partys wie „Lack & Leder“ oder „Bunt & Billig“. Praktischerweise sammelt sie auch Geschirr und kann locker für 400 Gäste eindecken. Zu den privaten Partys erscheinen jedoch „nur“ 100 bis 200 Geladene, aber keiner kommt unkostümiert.
Karneval ist immer
Dafür sorgt Hannelore persönlich. Wer keine passende Garderobe hat, wird in ihren privaten Kostümfundus geschoben und kommt garantiert auf´s Feinste verwandelt wieder raus. Seit ihrer Kindheit sammelt und verkleidet sie sich und kann etwa zum Thema Mittelalter, 50er, 60er, 70er Jahre, Oktoberfest oder Abendrobe ganze Hochzeitsgesellschaften ausstatten.
Hin und wieder hilft sie den Jungs von der Hamburger Hip-Hop- und Electropunk-Band Deichkind aus. Mitgründer „Porky“ alias Sebastian ist schließlich ihr Schwiegersohn.
Für die Kleidersammlung hat ihr Mann einen Garagenfundus gebaut mit Kleiderstangen, Regalen und Perückenhaltern. Und der ist rappelvoll. Hinein passt immer nur einer. Ein Anbau wäre eigentlich bald fällig, Jochen!
Geheimtipp
Einmal im Jahr veranstalten Hannelore und Jochen auf ihrem Privatgrundstück einen Wiesen- und Scheunen-Flohmarkt und zwar an Christi Himmelfahrt. Obwohl so gut wie keine Werbung dafür gemacht wird, ist richtig viel los. Kein Wunder, es ist wahrscheinlich der netteste Flohmarkt Ostholsteins. Denn inszeniert wird er ähnlich wie die privaten Partys: mit Life Musik, lustiger Deko und jede Menge guter Sachen zum Essen und Trinken. Selbstverständlich verkleidet sich Hannelore auch an diesem Tag. Zum Beispiel als Propeller.
Statt Standgebühren spendet man Kuchen oder Torten. Auf diese Weise kommt ein Buffet mit 80 Leckereien zusammen.